Bürger-Beteiligung
Eine systematische Betrachtung
Es geschieht in den Städten und
Gemeinden immer häufiger, dass Bürger*innen gegen Verwaltungsakte oder
Ratsentscheidungen aufbegehren und eine Änderung herbeiführen wollen. Oft genug
werden sie enttäuscht, weil ihre Intervention nicht zum gewünschten Erfolg
führt. Das liegt manchmal daran, dass sie den Hebel an der falschen Stelle
angesetzt haben, den formal falschen Weg wählen oder einfach zu spät dran sind.
Manchmal begehren sie auch gegen etwas auf, an dem weder Rat noch Verwaltung
etwas ändern können, weil es schlicht und ergreifend nach Gesetzeslage so
geschehen muss.
Das ist für die Bürger*innen
äußerst schade und überhaupt unter dem Aspekt einer lebendigen lokalen
Demokratie sehr unbefriedigend. Denn die Beteiligung der Bürger*innen ist eine
sinnvolle und wünschenswerte Ergänzung für unser repräsentatives System der
kommunalen Demokratie. Dass solches Mit-Tun auch eine Bereicherung für das Tun
von Rat und Verwaltung darstellt, wird allein schon durch die an vielen Orten
gemachte Erfahrung gestützt, dass Entscheidungen immer dann zu nachhaltigen
Ergebnissen und größerer allgemeiner Zufriedenheit führen, wenn die
Bürger*innen intensiv in den Entstehungsprozess einer Entscheidung eingebunden
wurden.
Genau diese Mitwirkung zu fördern,
hat sich der Aufbruch! von seiner "Geburtsstunde" an auf die Fahnen
geschrieben - mehr noch: der Wille zur Ausübung der Mitbestimmung an einer
entscheidend wichtigen Stelle im politischen Geschehen der Stadt (Vereitelung
des "Cross-Border-Leasing Geschäftes") war der Zündfunke für die
Entstehung des Aufbruch!
Das
"Cross-Border-Leasing-Geschäft" (Verkauf der Kanalisation und der
Kläranlage der Stadt an amerikanische Investoren) wurde mit aktiver
Unterstützung von mehr als 3.000 Bürger*innen verhindert. Allein das lehrt uns,
dass es sich lohnt, sich mit den Mitwirkungsmöglichkeiten genauer zu befassen
und sie dann gezielt nutzen zu können. Das wollen wir in den folgenden Kapiteln
tun. Wir werden dabei sehen, dass es formalisierte und ganz informelle
Beteiligungsmöglichkeiten gibt.
1. Bürger*innen-Beteiligung
Wir haben obigen Einführungs-Text
mit der Unterscheidung in informelle und stark formalisierte
Mitwirkungsmöglichkeiten beendet. Zusätzlich muss eigentlich auch unterschieden
werden in schwach wirkende und stark wirkende Möglichkeiten. Wir befassen uns
zunächst mit den informellen und gehen dort von den schwachen Instrumenten zu
den stärker wirkenden; anschließend behandeln wir die formalisierten Instrumente
der Mitwirkung.
Am wichtigsten für alle
Mitwirkungsinstrumente ist das Gut-Informiert-Sein. Dafür bieten sich die
Tageszeitungen, die kostenfreien Wochenblättchen, das Amtsblatt der Stadt (kann
man abonnieren) an, aber auch ein Blick auf die Homepage der Stadt, wo man sich
u.a. über die Tagesordnungen der Ausschüsse informieren kann; damit kann man herausfinden,
ob man durch irgendetwas betroffen sein könnte, das zur Entscheidung ansteht. (Beispiel:
Der Kanal in meiner Straße muss saniert werden. Inwieweit betrifft mich das, sei
es verkehrlich oder/und finanziell?)
Im Übrigen gilt: Rat und Verwaltung
haben gegenüber den Bürger*innen eine Informationspflicht (§ 23 Gemeindeordnung
NRW), und zudem haben Bürger*innen ein individuelles Informationsrecht gemäß
Informationsfreiheitsgesetz NRW (InfFrGes).
Wie geht man mit einer Sache um,
die einen angeht und beschwert? Konkrete Information dazu gibt es bei der/dem
zuständigen Mitarbeiter*in. Dafür muss man sich manchmal ein wenig durchfragen,
beginnend mit einem Anruf bei der Telefonzentrale der Stadtverwaltung –
alternativ: in einem der Fraktionsbüros nachfragen oder/und das zuständige
Ratsmitglied ansprechen.
Man sollte auch schauen, ob man mit
seinem Anliegen alleine ist oder ob auch andere Menschen betroffen sind. Das
lässt sich mit einem Leserbrief austesten oder mit einem Aushang mit
Abreiß-Streifen, um eine Kontaktmöglichkeit anzubieten. Mit Hilfe eines
Flugblattes oder dem klassischen Klinkenputzen kann man Verbündete finden für
eine Unterschriftensammlung, eine Demo vor dem Rathaus, eine vielköpfige
Präsenz in Ausschuss- und Ratssitzungen.
Wichtig übrigens: Bis auf ganz wenige Tagesordnungspunkte sind alle
Rats- und Ausschuss-Sitzungen öffentlich. Sitzungstermine und -orte findet man
auf der Homepage der Stadt.
2. Bürger*innen- Beteiligung
Im voraufgegangenen Kapitel habe
ich darauf hingewiesen, dass die Basis aller Mitwirkung die gute Informiertheit
ist, dass die Stadt zwar gegenüber den Einwohner*innen eine Informationspflicht
(Einwohner*innen-Versammlungen) hat, dass man aber auch selbst etwas für das
Informiert-Sein tun muss. Dazu können die Einwohnerfragestunden im Rat (§ 48
Gemeindeordnung NRW) und in den Ausschüssen (§ 14a der Geschäftsordnung des
Rates à <https://www.sankt-augustin.de/imperia/md/content/cms123/buergerservice_verwaltung_politik/satzungen_und_richtlinien/gesch__ftsordnung_des_rates.pdf>)
genutzt werden. Dieses Gut-Informiert-Sein ist auch die Voraussetzung dafür,
dass die Bürger*innen überhaupt eine Chance haben, dann ihre Mitwirkung und
ihre Interessenlagen zum Ausdruck und zur Geltung zu bringen, wenn noch keine
wesentlichen oder gar unumstößlichen Weichenstellungen erfolgt sind.
Zur Gewinnung von Information kann
– Achtung: jetzt wird es allmählich formaler – der Blick in den städtischen
Haushaltsplan eine gute Quelle sein, solange er noch ein Entwurf ist. Darin sind natürlich die „Produktbereiche“
von besonderem Interesse, die unmittelbaren Einfluss (finanziell oder
anderweitig) auf die Bürger*innen bzw. ihre Brieftaschen haben. (Beispiele:
Bau, Unterhaltung und Erneuerung der Straßen; Gebühren für Musikschule,
Kulturveranstaltungen; Kita- und OGS-Gebühren; Flächennutzungsplan und
Bebauungspläne.)
Auf der Grundlage der gewonnenen
Informationen können passende Aktionsformen entwickelt werden. (Beispiele: allgemeine
Fragen zum Haushalt oder Anregungen zu Änderungen des Haushaltes bzw. einzelner
Punkte oder Einwendungen gegen den Entwurf der Haushaltssatzung oder
Einwendungen gegen die vom Rat beschlossene Haushaltssatzung (§ 79
Gemeindeordnung NRW). Tatsächlich gibt es einen ganzen Strauß von
Mitwirkungs-Möglichkeiten, auch wieder solche, die weniger formal geregelt sind
und solche, die durch Gesetze strikt geregelt sind.
Hier sollen ein paar davon nur
benannt werden. Erläutert werden sie in der nächsten Folge: 1) Planungszellen,
2) Runde Tische, 3) Perspektivenwerkstätten, 4) Zukunfts-konferenzen, 5)
Bürgerhaushalt
3. Von Planungszellen bis Bürger-Haushalt
Bevor ich es über all den
informellen Instrumenten der Mitwirkung ganz vergesse: Am 13. September 2020 hatten
wir Kommunalwahl, wo Stadtrat und Bürgermeister neu gewählt wurden – für fünf
Jahre übrigens. Ja, und gerade in Corona-Zeiten bietet es sich an, für sich
selbst, aber auch für die gewählten Vertreter im Rat, Rückschau zu halten. Was
haben meine gewählten Vertreter im Stadtrat in den letzten Jahren getan, und
was hätten sie tun können? Und wofür habe ich selbst mich interessiert und
wofür engagiert oder wofür interessieren und engagieren können? (Der Stadtrat hat
übrigens den Bürgermeister als Vorsitzenden und 50 Ratsmitglieder, die sich wie
folgt auf die politischen Farben verteilen: 20 CDU, 14 SPD, 10 GRÜNE, 2 FDP, 2 AUFBRUCH!,
1 Linke, 1 Volksabstimmung. Fraktionen mit eigenen Büros im Rathaus konnten gebildet
werden von CDU, SPD, GRÜNEN, FDP und AUFBRUCH!; Linke und Volksabstimmung sind als
fraktionslose Einzelabgeordnete im Rat.)
Jetzt aber zu den in diesem Kapitel
zu besprechenden Instrumenten der Mitwirkung: Am konkretesten ist die
Mitwirkung an der Erstellung des städtischen Haushaltes greifbar. Denn darin
geht es um Zahlen und Aufgaben, das heißt einerseits um Einnahmen (“Erträge“
genannt) der Stadt aus Schlüsselzuweisungen und Fördermitteln des Landes sowie
aus Steuern und Gebühren. Andererseits stehen die Zahlen für Ausgaben (“Aufwendungen“
genannt) für die Aufgaben, die die Stadt zu bewältigen hat. Über das, was an
Aufgaben Vorrang genießen soll und in welchem Umfang und welcher Qualität etwas
ausgeführt werden soll, können und sollen auch die Bürgerinnen und Bürger
mitreden. “Bürgerhaushalt“ nennt man dann einen solchen Haushalt.
Erfunden und erstmalig durchgeführt
wurde dieses Beteiligungsinstrument im Jahr 1989 in Porto Alegre (Brasilien)
und wird seitdem dort mit großem Aufwand und Erfolg angewendet. Deutsches
Kommunalrecht lässt zwar die umfassende brasilianische Form der Mitbestimmung
über den Haushalt nicht zu, stattdessen aber
die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Anregungen zu geben. Manche Stadträte
definieren auch einen eng umgrenzten
Teilbereich des Haushaltes, über den die Bürgerschaft komplett selbst beraten
und beschließen darf, und machen dann diesen Beschluss zum Bestandteil des
Ratsbeschlusses über die Haushaltssatzung.
[Quelle für den letzten Absatz:
https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerhaushalt#Deutschland ]
Planungszellen, Bürgergutachten,
Runden Tisch, Perspektivenwerkstatt und Zukunftskonferenz sind Themen der
nächsten Kapitel.
4. Bürger-Gutachten (Planungszelle)
Schon 2018 fand sich im
Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD die Fragestellung, “ob und in welcher Form
unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere
Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann und
soll.“ Ein solches Element kann z. B. in der Kommune die Form sein, die als
Bürger-Gutachten oder auch als Planungszelle bezeichnet wird. Dazu müssen klare
Festlegungen vorab getroffen werden:
·
wie die Teilnehmenden ausgewählt werden
(repräsentativer Querschnitt oder Zufallsauswahl),
· wie genau der Auftrag / die Fragestellung
lautet,
·
wie mit dem Ergebnis verfahren werden soll.
Vorstellbar ist folgender Ablauf:
1) An der Planung eines
Teilbereiches eines Stadtteils sollen die Einwohner intensiv beteiligt werden.
Begonnen wird mit einer großen Runde, in der von Fachleuten eine Einführung in
allgemein für die Problemstellung wichtige Gegebenheiten und in die fachlichen Rahmenbedingungen
gegeben wird. Fragen zu diesen allgemeinen Aspekten und zum gesamten Ablauf
werden von den Fachleuten beantwortet.
2) In großer Runde werden die zu
bearbeitenden Teil-Aspekte der Planung festgelegt. Jeder Teil-Aspekt wird jeweils
einem Gruppentisch zugeordnet, dessen Teilnehmer ausgelost werden. Jeder
Gruppentisch bestimmt selbständig einen Moderator und einen Berichterstatter.
3) Es folgt eine erste moderierte
Erarbeitungsphase. Nach einer vorher festgelegten Dauer der Erarbeitungsphase
wechselt jede Gruppe mit ihrem Moderator an einen anderen Tisch und widmet sich
dem Thema dieses Tisches. Jeder Tisch hat einen Berichterstatter, der die
Arbeitsergebnisse der wechselnden Tischbesetzungen festhält, sie ordnet,
verdichtet und zusammenzuführen versucht, um sie am Ende der großen Runde
vorzustellen.
4) Gemeinsam wird in der großen
Runde besprochen, ob alles Erarbeitete richtig erfasst worden ist und ob sich
ein von allen oder zumindest einer überwältigenden Mehrheit getragenes Ergebnis
formulieren lässt.
5) Ein auf so breiter Basis
entstandenes Arbeitsergebnis kann dann den politischen Gremien als Bürger-Gutachten
im Sinne eines Ratschlages – allerdings ohne rechtliche Bindewirkung - vorgelegt
werden, damit es bei den Beratungen im zuständigen Fachausschuss des Rates
berücksichtigt werden kann.
[verfasst in Anlehnung an
<Fachforum Bürgerbeteiligung> beim Gemeindekongress 2014 des Städte- und
Gemeindebundes NRW und an die Broschüre <Der Bürgerrat> des Vereins Mehr
Demokratie e. V.]
5. Mitwirkung durch Perspektiven-Werkstatt
Infrastruktur-Projekte sind heute
kaum noch erfolgversprechend zu Ende zu bringen ohne eine früh beginnende und
intensive Beteiligung der Öffentlichkeit. Diese Meinung wird von Organisationen
vertreten, die Bürger-Mitwirkung nach vorn bringen wollen, aber auch von
erfahrenen Planern in Planungsgesellschaften und in Verwaltungen und natürlich
von uns, dem Aufbruch!. Dennoch muss Mitwirkung auch von der gesamten Gesellschaft
gelebt und immer wieder von den von Planungen Betroffenen eingefordert werden.
Obwohl: Für einige Bereiche gibt es sogar gesetzliche Verpflichtungen, zur
Mitwirkung einzuladen. Davon in einem späteren Kapitel mehr.
Allerdings ergeben sich konkrete
Planungen aus einem langen perspektivischen Vorlauf, der Jahre vorher beginnt.
So leiten sich in Sankt Augustin viele der aktuell laufenden Planungsprozesse
aus dem “Stadtentwicklungskonzept 2025“ (STEK 2025) ab, das um die
Jahrtausendwende begonnen, nach intensiver Beteiligung der Öffentlichkeit im
Jahr 2003 beschlossen wurde und den Zeitraum bis 2025 abdeckt. Es macht eine
Perspektive für die Entwicklung der Stadt auf, die in den nachfolgenden Jahren
an einigen Stellen konkretisiert worden ist – Beispiele: Neu-Aufstellung des
Flächennutzungsplanes, “Masterplan Urbane Mitte“, später übergeleitet in das
“ISEK“ (Integriertes Stadt-Entwicklungskonzept Zentrum).
Das
Stadtentwicklungskonzept 2025 kann man guten Gewissens als eine
Perspektiven-Werkstatt bezeichnen. Denn es wurde in einem für jedermann offenen
Forum entwickelt, wofür zunächst sachliche Grundlagen von Fachleuten erarbeitet
wurden. Diese wurden mit der Öffentlichkeit, den Vertretern der Politik und der
Verwaltung diskutiert. Der Diskussionsprozess wurde von mehr oder weniger
neutralen Moderatoren begleitet und strukturiert und schließlich zu einem
Ergebnis verschriftlicht, eben dem STEK 2025. Da Stadtentwicklung aber ein
dynamischer Prozess ist, ist das STEK auch nicht auf ewig festgeschrieben.
Stattdessen muss es immer wieder angepackt, überprüft und fortgeschrieben werden.
Und bei erkennbar großem Anpassungsbedarf muss die Perspektiven-Werkstatt
nochmal ran.
6. Mitwirkung in der Zukunfts-Werkstatt
Das Instrument Zukunftswerkstatt
kann sich sowohl eine weiter gestreckte allgemeiner gefasste Perspektive vornehmen
als auch ein räumlich eng umrissenes konkretes Problem versuchen einer Lösung
zuzuführen. Im erstgenannten Fall könnte die Fragestellung lauten: Was soll aus
unserer Stadt werden? Welche Funktionen soll sie in Zukunft abdecken? Soll sie
wachsen oder eher räumlich schrumpfen? Im engeren Sinne verstanden kann die
Zukunftswerkstatt sich einer bestimmten Problemstellung widmen. (Beispiel: Wie
können wir die Attraktivität des ursprünglichen Kerns von Niederpleis als
Wohnplatz, als Ort der Nahversorgung und als Standort wohnungsnaher
Arbeitsstätten steigern? Und wie können wir die Verkehrserschließung so
verbessern und die Verkehrsbelastung so verringern, dass immer mehr Menschen
mit immer weniger eigenen Autos auskommen, so dass die Lärm- und Gas-Immissionen
sinken und die Qualität der Luft sich verbessert?)
Wie funktioniert
eine Zukunftswerkstatt? Klassischerweise werden entweder nach dem
Zufallsprinzip Menschen aus der von der Planung betroffenen Gruppierung
ausgewählt, die gleichberechtigt miteinander beraten. Oder man wählt die
Vertreter verschiedener gesellschaftlich bedeutsamer Gruppen repräsentativ aus,
so dass sich jeder gesellschaftliche Sektor in dieser Gruppe vertreten sehen
kann. Heutzutage bietet sich allerdings – das haben wir aus den Corona-Zwängen
gelernt – noch eine weitere interessante Arbeitsform an: eine moderierte
digitale Ideenschmiede im virtuellen Raum. Die Digitalisierung hat schon
gezeigt, dass man sich im digitalisierten Dialog bzw. im virtuellen
Diskussionsraum meist knapper, prägnanter, manchmal frecher (im besten Sinne)
und unter Umständen kreativer äußert, weil man sich nicht von den Blicken aller
fixiert und seine Äußerungen taxiert fühlt.
Hier liegen noch Chancen für die
Zukunft, die das Potenzial haben, das Mosern und die Unzufriedenheit über das,
was “die da oben“ entscheiden, in positive Bahnen zu lenken.
7. Gute Information – erfolgreiche Bürger-Mitwirkung
In diesem Kapitel geht es um die
formalisierten Mitwirkungsmöglichkeiten. Der erste Schritt dazu ist auch hier,
gut unterrichtet zu sein. Gut, dass die Stadt verpflichtet ist, ihre
Einwohner*innen “über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde“
zu unterrichten (§ 23 Gemeindeordnung NRW = GemO NRW). “Bei wichtigen Planungen
und Vorhaben der Gemeinde, die unmittelbar raum- oder entwicklungsbedeutsam
sind oder das wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Wohl ihrer Einwohner
nachhaltig berühren, sollen die Einwohner möglichst frühzeitig über die Grundlagen
sowie Ziele, Zwecke und Auswirkungen unterrichtet werden.“ Dazu nutzt die Stadt
Pressemitteilungen, u.U. Anzeigen, Einwohnerversammlungen und ihr Amtsblatt;
dieses kann in E-Mail-Form abonniert werden. Bei Bauleitplan-Verfahren
(Flächennutzungsplan, Bebauungspläne) ist die Unterrichtung der Öffentlichkeit
und die Möglichkeit, zu raumwirksamen Plänen der Stadt eine Stellungnahme
abzugeben, gesetzlich sehr formalisiert vorgeschrieben (à Baugesetzbuch). Aber die
Einwohner*innen müssen gar nicht warten, bis die Stadt eine Gelegenheit zur
Einwirkung bietet; sie können auch selbst die Initiative ergreifen. Das geht
mit Hilfe des § 24 der GemO NRW, der besagt, dass sich jeder mit Anregungen und
Beschwerden an den Bürgermeister wenden kann. Ein etwas schärferesaber auch viel
aufwändigeres „Schwert“ ist der Einwohner-Antrag gemäß § 25 GemO NRW. Mit
diesem Instrument kann der Rat gezwungen werden, über ein von von den Einwohner*innen
formuliertes Thema zu beraten. Das kostet allerdings einige Mühe, weil das
formulierte Anliegen viele Unterstützungsunterschriften benötigt, und zwar 5 %
der Einwohner*innen, maximal 4.000, die mindestens 14 Jahre alt sein müssen.
Aber auch wenn der Rat einmal einen „unfassbaren“ Beschluss gefasst hat, sind
die Bürger*innen diesem nicht wehrlos ausgeliefert. Denn in einem solchen Fall
kann die Bürgerschaft den § 26 GemO NRW zücken (Bürgerbegehren und
Bürgerentscheid). Damit kann ein schon gefasster Beschluss wieder rückgängig
gemacht werden (siehe „Nein zu Cross-Border-Leasing“). – Zum Schluss: Was nicht
verschwiegen werden darf, ist die Tatsache zu nennen, dass über manche Dinge
weder der Rat noch die Bürger*innen / Einwohner*innen eine Entscheidung treffen
dürfen. Das sind die “Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung“ (Beispiel:
Straßenverkehrsordnung). Die Weisung ist das Gesetz, und zur Erfüllung der
Aufgaben berufen ist die Verwaltung. Da kann der Stadtrat keine Anweisungen
erteilen, sondern nur Anregungen geben und freundliche Bitten äußern. Gegen eine
von der Verwaltung auf Grundlage eines Gesetzes getroffene Entscheidung / Anordnung
kann nur noch der Rechtsweg (Verwaltungsgericht) in Anspruch genommen werden.
Autor: Wolfgang Köhler, Aufbruch! Sankt Augustin - Freie Wähler