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Mittwoch, 13. Juni 2012

Nachzahlungsanspruch einer Stadt für Gas-Konzessionsabgaben


Gilt das auch für Sankt Augustin? 

(Das Wollen wir mit einer Anfrage an den Bürgermeister klären.)

"Das Landgericht München hat mit Urteil vom 17. April 2012 einer Stadt einen Nachzahlungsanspruch auf Konzessionsabgaben für die Erdgasversorgung gegen einen Regionalversorger zugebilligt. Nach Ansicht des Gerichts hat das regionale Unternehmen aufgrund der falschen Eingruppierung ihrer Endkunden als Sondervertragskunden i. S. d. Konzessionsabgabenverordnung (KAV) in einem Zeitraum von zwei Jahren zu wenig Konzessionsabgaben entrichtet. Maßgeblich dabei sei, ob aus Sicht des durchschnittlichen Abnehmers der Versorger seine Haushaltskunden im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht oder der allgemeinen Vertragsfreiheit beliefert hat. Das Gericht bejahte Ersteres.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine Stadt, verlangte von der Beklagten, einem regionalen Erdgasversorgungsunternehmen in Bayern, wegen falscher Eingruppierung ihrer Endkunden als Sondervertragskunden die Nachzahlung von Gas-Konzessionsabgaben für die Jahre 2005 bis April 2007.
Zwischen den Parteien wurde bereits 1990 ein Wegenutzungsvertrag für die Erdgasversorgung geschlossen, in der die Beklagte zur Zahlung von Konzessionsabgaben im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet wurde. Die Beklagte legte ihre Preise in dem strittigen Zeitraum nach zwei Tarifgruppen fest, einem „Allgemeinem Tarif“ für Kunden mit einer Liefermenge von unter 8000 kWh/Jahr und „Sonderpreise“ für eine Liefermenge, die darüber hinausging. Für Kunden, die nach den Sonderpreisen beliefert wurden, rechnete sie einen pauschalen Konzessionsabgaben-Satz ab, der dem für Sondervertragskunden entsprach. Die Kunden erhielten ein Begrüßungsschreiben, ein Preisblatt und die Allgemeinen Versorgungsbedingungen (AVBGasV). Die Einordnung in die Tarifgruppe „Sonderpreise“ erfolgte aufgrund von Erfahrungswerten und Anlagengröße. Im Mai 2007 stellte die Beklagte ihr Tarifsystem um.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass diejenigen Kunden, die die Beklagte nach den Sonderpreisen belieferte als Tarifkunden und nicht als Sondervertragskunden einzuordnen gewesen seien. Es fehle an einer individuellen Sondervereinbarung, die Eingruppierung wurde vielmehr ohne die Mitwirkung des Kunden vorgenommen. Daher sei die Beklagte zur Nachzahlung der Differenz zwischen Sondervertrags- und Tarifkundenkonzessionsabgabe verpflichtet.
Die Beklagte entgegnete, dass es nicht auf ein individuelles Vertragsverhältnis ankomme, sondern allein darauf, ob sie im Rahmen der Grundversorgung und außerhalb derer versorgt habe. Dies entspreche auch der aktuellen Rechtsprechung.
Gründe
Das Landgericht bejaht einen Nachzahlungsanspruch der Klägerin auf Grundlage des bestehenden Konzessionsvertrags.
Bei der Eingruppierung der Sonderpreis-Kunden der Beklagten als Tarifkunden gehe es ausschließlich darum, ob die Kunden im Rahmen der Grundversorgung (§ 36 EnWG) beliefert wurden. Die Beklagte sei unstreitig Grundversorger, die jeden Haushaltskunden zu allgemeinen Bedingungen und Preisen, die öffentlich bekannt gegeben sind, versorgen müsse. Ob sie daneben auch Verträge außerhalb der Grundversorgung abgeschlossen habe (Sonderverträge), hinge davon ab, ob sie die Lieferung im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit abgeschlossen habe. Dies sei durch Auslegung zu ermitteln. Entscheidend sei hierbei jedoch die Sicht des durchschnittlichen Empfängers. Dies entspreche auch der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 15.7.09, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08 und vom 11.5.11, VIII ZR 42/10).
Im Gegensatz zu den Urteilen des BGH hätten die Endkunden keinerlei Mitwirkungsmöglichkeiten an dem Abschluss eines Sondervertragsverhältnisses gehabt. Es fehlte u.a. ein Antragsformular, aus dem die verschiedenen Preise und Bedingungen hervorgingen, die eine Eingruppierung ermöglichten. Den Abnehmern wurde so auch keine Wahlmöglichkeit eingeräumt. Allein aus der Übermittlung des Preisblatts, dem Begrüßungsschreiben und der Zusendung der Allgemeinen Vertragsbedingungen konnten die Abnehmer nicht davon ausgehen, dass ein Sondervertragsverhältnis außerhalb der Grundversorgung bestehe.
Bewertung
Die Auslegung des Sondervertragskundenbegriffs durch das Urteil des Landgerichts München, Az.: 1 HK O 20406/10, ist zu begrüßen. Es bezieht sich dabei u.a. auch auf den Beschluss des OLG vom 19.10.2011, 3 Kart 1/11, und betont, dass das Urteil zu keinen anderen Schlüssen im Hinblick auf das Ergebnis führen würde. Dort entschied das Gericht, dass die Höhe der Konzessionsabgabe zwischen Netzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen, das Drittlieferant war, nicht von der Ausgestaltung der Tarife zwischen Versorger und Endkunden abhänge, sondern vielmehr von der materiell-rechtlichen Bewertung als Sonder- bzw. Grundversorgungsverhältnis.
Dies gelte auch hier, entgegen der Ansicht der Beklagte dürfe diese die Abgrenzung von Tarif- und Sondervertragskunden nicht von der Liefermenge abhängig machen. Im Gegensatz zu Stromlieferungen habe der Gesetzgeber gerade keine gesetzliche Grenze eingezogen, bis zu der Lieferungen immer als Tariflieferungen zu werten seien."
(Quelle: Mitteilungen des Städte- und Gemeindebundes NRW, Nr. 6 / 2012)
Autor: Wolfgang Köhler

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